On Tour mit meiner rumänischen Familie (Rumänien, Teil 4)
Zum Maifeiertag ist die Pension, in der ich für die letzte Nacht ein Notquartier bekommen habe komplett ausgebucht. Ich muss mir eine neue Bleibe suchen, das will erst nicht so richtig gelingen. In der umliegenden Gegend sind alle Gästezimmer vergeben.
„Unsere Pension ist bereits ausgebucht, aber bei meinem Schwager ist noch etwas frei!“ Auf diese Weise lerne ich die Toths kennen.
Mein Gastgeber Alex freut sich merklich auf den Radfahrer aus Deutschland, mit dem er sich in der Sprache seiner Vorväter unterhalten kann. Er ist ein Mann, dem zugegebenermaßen, das Essen schmeckt, trotzdem ist er in erster Linie ein begeisterter Sportler, leidenschaftlicher Radfahrer und ein handwerkliches Multitalent.
Seine Frau, Mariana steht ihm in nichts nach. Ihre beiden Töchter heißen Klara und Elisa.
Klara ist im Teeniealter, sie versteht Englisch ohne Probleme, ist beim Sprechen dafür eher etwas zurückhaltend. Ihr Interesse widmet sie zu einem großen Teil der Koreanischen Jugendkultur. Sie kann hervorragend zeichnen. Ich blättere durch ihr Szenenbuch, dessen kunstvolle Seiten mit phantasievollen Mangafiguren gefüllt sind.
Die jüngere Elisa ist der gewitzte Sausewind in der Familie. Sie hat in der Grundschule Deutsch als Hauptfremdsprache gewählt. Ihr Papa ermahnt sie immer wieder einmal dazu, die Übungsgelegenheit wahrzunehmen.
Alexandru ist ein Nachfahre der Zipser. Diese deutschstämmige Bevölkerungsgruppe ist seit dem Mittelalter vorwiegend aus dem süddeutschen Raum über die heutige Slowakei (Gebiete der Ober- und Unterzips) nach Rumänien ausgewandert. Alex spricht ein Deutsch mit einem nett anzuhörenden Dialekt.
Mit Mariana kann ich mich am besten auf Englisch unterhalten.
„Heute mach mer noch eine Mountainbiketour, wenn du willst!“
Alex und Mariana brennen darauf, mir die Gegend zu zeigen und die Mountainbikesaison für dieses Jahr zu eröffnen.
Gesagt getan, er steht schon im Hof, in seiner Fahrradecke und rüstet das Mountainbike von der älteren Tochter von Straßenbereifung auf Stollenbereifung um. Die drei Fahrräder packt er mit schnellen Griffen aufs Auto. Nach einer 40-minütigen Fahrt stellen wir das Auto an der Sessellifstation in Borşa ab.
Die MTBs lupfen wir mit einem Pedal auf den Sesselliftsitz. Hinter mir öffnet sich ein herrlicher Blick über die zersiedelten und waldreichen Hänge der Karpaten.
Oben angekommen, folgen wir einem rutschigen und steilen Wanderweg zu einem Wasserfall. Regennasse Bremsen quietschen, die Wanderer vor uns springen lieber einen Schritt zur Seite.
Das ist meine erste richtige Mountainbiketour!
Den Einstieg in diese Sportart habe ich in München, Tor zu den Alpen, schon seit langer Zeit ersehnt. Jetzt in den Karpaten, erfüllen mir meine rumänischen Freunde diesen langehegten Wunsch!
Die beiden sind beim steilen Bergauffahren sehr zügig unterwegs, erklimmen die steinige Piste wie zwei Bergziegen, dabei befindet sich ihr Trainingszustand für dieses Jahr quasi noch auf dem Nullpunkt.
Oben sind wir in den Wolken, feuchte Luft zieht über die Schneefelder, Wolken durchnässen unsere Kleider. Alex ist nicht mehr zu stoppen! Wir schreiten durch die Schneefelder und tragen unsere Räder bis zum nächsten befahrbaren Stück Untergrund.
Alex nimmt Schwung auf ein Schneefeld auf, er will da ohne Absteigen rüber.
Im nächsten Moment macht er einen kapitalen Salto, weil sein Vorderrad tief in das Schneefeld eintaucht. Zum Glück landet er weich und rappelt sich sofort wieder auf.
Für uns Zuschauer ein ziemlicher Schreck und eine erheiternde Einlage zugleich!
Über die schneebedeckte Skipiste und über blühende Krokuswiesen erreichen wir schließlich die Passstraße.
Bevor es zurück ins Tal geht nehmen wir uns Zeit für eine kleine Einkehr.
In der Hütte treffe ich auf einen begeisterten Hobby-Deutschsprechenden.
Der Sohn von der Hüttenwirtin erklärt mir „Ich lieb(b)e die deutsche Sprache! Und weißt du wer mein Lehrmeister war? Stefan Raab!! Ich hab immer TV-Total und viele seiner Sendungen im Fernsehen angeschaut!
Wir rasen den Pass hinunter, lenken in die Serpentinen ein, überholen einen schweren Holztransporter und preschen durch die zahlreichen Baustellen, bis wir wieder im sonnenbeschienen Tal des Vişeu-Flusses unten sind.
Ausgepowert und zufrieden fahren wir zurück nach Oberwischau, ins “Cartierul Țipțerai” – Zipser-Viertel.